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Deutsche Übersetzung der italienischen Originaltexte von fr. Bernhard Lang

 

 ·     1. Gebet vor dem Kreuz 

      Dieses Gebet, so kurz und wesentlich, ist aus der Zeit der Bekehrung des hl. Franz. In diesem Gebet kann man schon die tiefe und unwiderstehliche Berufung des Heiligen erkennen, nämlich ein Leben in Armut und Demut zu leben. Um dieses Leben zu verwirklichen, bittet Franz um die Gabe des Lichtes, der Kraft und der Unterstützung.

 

 

 

 

Höchster, glorreicher Gott,

erleuchte die Finsternis meines Herzens

und schenke mir rechten Glauben,

gefestigte Hoffnung und vollendete Liebe.

Gib mir, Herr,

das Empfinden und Erkennen,

damit ich Deinen heiligen und wahrhaftigen Auftrag

erfülle.

Amen

 

 

 

 

 

·      2. Allmächtiger und barmherziger Gott

 

      Dieses Gebet, das am Ende des Briefes an das Generalkapitel und alle Brüder steht, ist eine wunderbare Synthese aus allen spirituellen Lehren und auch eines der Schönsten unseres Heiligen.

      Die Allmacht Gottes erkennend, begreift Franz, dass dem Menschen auch Grenzen gesetzt sind, dass er unfähig ist, aus eigenem in Verbindung mit dem Unbegrenzten und Allmächtigen treten kann; in der Unfähigkeit des Menschen zeigt sich die Allmacht Gottes, und es ist Seine Barmherzigkeit, die diese zwei Extreme verbindet. An diese Barmherzigkeit wendet sich Franz und bittet nur um eine Sache, nämlich fähig zu sein, Gottes Willen zu erfüllen.

 

 

Allmächtiger, ewiger, gerechter und barmherziger Gott,

verleihe uns Elenden,

um Deiner selbst willen das zu tun,

von dem wir wissen,

dass Du es willst

und immer zu wollen,

was Dir gefällt,

damit wir, innerlich geläutert,

innerlich erleuchtet

und vom Feuer des Heiligen Geistes entflammt,

den Fußspuren Deines geliebten Sohnes,

unseres Herrn Jesus Christus folgen können

und allein durch Deine Gnade zu dir,

Allerhöchster,

zu gelangen vermögen,

der Du in vollkommener Dreifaltigkeit

und einfacher Einheit lebst und herrschst

und verherrlicht wirst

als allmächtiger Gott

durch alle Ewigkeit der Ewigkeiten.

Amen.

 

 

 

 

·      3. Allmächtiger und höchster Gott
 

Die Kenntnis Gottes ist für Franz niemals abstrakt. Er erkennt und erfährt Gott  in seiner Güte, die Gott ihm, dem Armen, Unwürdigen und Demütigen erweist. Franz lebt diese Abhängigkeit in voller und demütiger Weise, und er fühlt sich als Objekt, das von dieser wunderbaren Güte bis obenhin erfüllt ist. Aus dieser Erfahrung und Feststellung erwächst in Franz die Dankbarkeit, das Lob und der Wunsch, Gott all das zurückzugeben, was er von Ihm erhalten hat.

 

Allmächtiger, heiligster, erhabenster und höchster Gott,

Du alles Gut, höchstes Gut, ganzes Gut,

der Du allein der Gute bist,

Dir wollen wir erweisen alles Lob, alle Herrlichkeit, allen Dank, alle Ehre, allen Preis und alles Gute.

Es geschehe! Es geschehe!

Amen

 

 

 

·      4. Erklärung zum Vater unser

          - die Entdeckung eines Gott Vaters

 

Das Gebet, ein nicht unterdrückbares Bedürfnis eines jeden Menschen, ist für Franz die Weisheit, das tiefe Eindringen in das Geheimnis Gottes, der beruft und rettet. Auf seinem Weg im Gebet erforscht und erkennt Franz die menschliche Seele: als Mensch, krank, voll Angst, ein Sünder, vor allem aber ein Waise. Daraus wächst in ihm die Erkenntnis der Vaterschaft Gottes: «Oh, einen so glorreichen und heiligen und großen Vater im Himmel zu haben.» Ein Gott, der eine ständige und unentgeltliche Gabe ist, der sich mit dem Menschen erfreut, aber mit ihm auch weint, der von ihm die brennenden Wünsche, Hoffnungen, Bitten und Gebete annimmt und erhört. Ein Gott, der in Christus Mensch geworden ist und mit uns Menschen den Weg geht, den er für uns vorausgegangen ist.

 

O heiligster Vater unser: unser Schöpfer, Erlöser, Tröster und Heiland.

Der du bist im Himmel: in den Engeln und in den Heiligen. Du erleuchtest sie zum Erkennen, weil du, Herr, das Licht bist. Du entflammst sie zur Liebe, weil du, Herr, die Liebe bist. Du wohnst in ihnen und erfüllst  sie mit Seligkeit, weil du Herr, das höchste Gut bist, das ewige Gut, von dem jegliches Gute kommt, ohne den nichts Gutes ist.

Geheiligt werde dein Name: aufleuchten soll in uns die Kenntnis von Dir, damit wir erkennen die Breite Deiner Wohltaten, die Länge Deiner Verheißungen, die Höhe der Majestät und die Tiefe der Gerichte (vgl. Eph 3,18).

Dein Reich komme: damit Du in uns durch die Gnade herrschest und uns in Dein Reich kommen lassest, wo die unverhüllte Anschauung Deiner selbst, die vollkommene Liebe zu Dir ist, die selige Gemeinschaft mit Dir, das ewige Genießen Deiner selbst.

Dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden: damit wir Dich lieben aus ganzem Herzen (vgl. Lk 10,27), indem wir immer an Dich denken; aus ganzer Seele, indem wir immer nach Dir verlangen; aus ganzem Gemüte, indem wir all unser Streben zu Dir hinlenken und Deine Ehre in allem suchen; und aus allen unseren Kräften, indem wir alle unsere Kräfte und Empfindungen der Seele und des Leibes zum Gehorsam gegen Deine Liebe und für nichts anderes aufbieten. Und damit wir unsere Nächsten wie uns selbst lieben, indem wir alle nach Kräften zu Deiner Liebe hinziehen, uns über das Gute der anderen wie über das unsrige freuen und in Widerwärtigkeiten Mitleid mit ihnen haben und niemanden irgendwie beleidigen (vgl. 2Kor 6,3).

Unser tägliches Brot: Deinen geliebten Sohn, unseren Herrn Jesus Christus, gib uns heute: zum Gedächtnis und Verständnis und zur Hochachtung der Liebe, die er zu uns gehabt hat, und dessen, was er für uns gesprochen, getan und erduldet hat.

Und vergib uns unsere Schuld: durch Dein unsagbares Erbarmen, durch die Kraft des Leidens Deines geliebten Sohnes und durch die Verdienste und Fürsprache der allerheiligsten Jungfrau Maria und aller Deiner Auserwählten.

Wie auch wir vergeben unseren Schuldigern: Und was wir nicht vollkommen vergeben, mach Du, Herr, dass wir es gänzlich vergeben, damit wir die Feinde um Deinetwillen wahrhaft lieben und für sie bei Dir ergeben Fürsprache einlegen, niemandem Böses mit Bösem vergelten (vgl. 1Thess 5,15) und in allem in Dir nützlich zu sein uns bemühen.

Und führe uns nicht in Versuchung: in keine verborgene oder offenkundige, unvermutete oder ungestüme.

Sondern erlöse uns von dem Bösen: dem vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen. Ehre sei dem Vater...


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